Die Production Company TSE AG in Berlin feierte 2023 ein rundes Jubiläum. Wir haben das als Anlass genommen, um mit CEO Marcel Fery über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu sprechen – nicht nur bezogen auf TSE, sondern insgesamt auf die Veranstaltungswirtschaft.
StageReport: 25 Jahre TSE: An was erinnerst Du dich besonders gern? Und an was möchtest Du dich gar nicht mehr erinnern?
Marcel Fery: Da gibt es natürlich ganz viele Geschichten. Im Endeffekt ist nach wie vor eines der Highlights von TSE und auch sicherlich für mich persönlich die Installation der Soundanlage im Berliner Olympiastadion gewesen – wahrscheinlich wirklich ein technischer Meilenstein: als erstes Line-Array im Stadion und komplett mit Glasfaser-Verdrahtung als digitale Installation. Und ganz nebenbei haben wir dabei auch noch die Pleite des Bauträgers Walterbau überstanden und so toll gearbeitet, dass wir danach das Stadion sehr lange betreut haben.
Ein richtig krasses Erlebnis war die Situation, als wir ohne Ankündigung innerhalb von drei Monaten aus unserem damaligen Gebäude ausziehen mussten, weil wir der Untermieter waren und dem Hauptmieter gekündigt wurde. Dabei habe ich gelernt, dass der Untermieter immer abhängig ist von dem, was der Hauptmieter macht. Nach zähen Verhandlungen haben wir dann einen Aufschub auf sechs Monate erreicht und in der Zeit die Immobilie erworben, in der wir heute noch arbeiten. Glück im Unglück sozusagen.
StageReport: Wo steht TSE heute?
Marcel Fery: Ich glaube, dass wir in Berlin wirklich eine sehr hervorgehobene Stellung haben. Und ich glaube auch, dass wir sehr gut daran arbeiten, dass das so bleibt.
StageReport: Was waren denn die größten Veränderungen in den letzten 25 Jahren für TSE und auch für diese Branche?
Marcel Fery: Ich würde sagen, für die Branche war das die Entwicklung, dass die Anbieter immer mehr zum Corporate-Geschäft gewechselt sind. Vorher war die Branche ja eher musikorientiert und wird immer noch in der Öffentlichkeit häufig darauf reduziert, dass die Veranstaltungsbranche nur mit Konzerten und Tourneen zu tun hat. Das stimmt aber nicht, denn heute macht das Corporate-Geschäft rund 88 Prozent des Branchenumsatzes aus. Das führte vielerorts zu Spezialisierungen, die nicht nur mit Technik zu tun haben, sondern ebenso qualifizierte Services beinhalten. Das wird auch so weitergehen.
Für uns haben wir im Endeffekt den Weg gewählt, dass wir ein echter Zehnkämpfer sind und weder die größte Anzahl von schwarzen Kisten haben noch irgendwo in einer bestimmten Sparte der Weltmeister sind, sondern dass wir alles oder zumindest vieles sehr gut können.
StageReport: Zu 88 Prozent tragen Corporate Events zum Umsatz von TSE bei. Woher kommen die anderen zwölf Prozent?
Marcel Fery: Die Zahlen bezogen sich auf den Gesamtumsatz der Branche und weichen individuell ab. Bei uns macht das Corporate-Geschäft irgendwas zwischen 40 und 50 Prozent aus. Wir sind ansonsten sehr breit aufgestellt und haben viel Kultur, Sport und Messen dabei.
StageReport: Gibt es so was wie eine DNA von TSE?
Marcel Fery: Definitiv. Wir sprechen nicht nur über Full-Service für die unterschiedlichen Segmente, sondern wir können das auch leisten – also inklusive der ganzen Verästelungen wie Konferenz- und Dolmetschertechnik, Sonderkonstruktionen, Bühnen- und Setbau und so weiter. Das erzählen wir nicht nur und holen dann einen Subunternehmer dazu, sondern können das alles auf höchstem Niveau selbst. Wobei wir natürlich nicht immer alles Equipment ‚besitzen‘, aber das ist auch nicht unser Anspruch.
Ebenfalls Teil der DNA ist unser Teamgeist – dass wir uns gegenseitig helfen, dass wir wirklich zusammengehören und dass wir respektvoll miteinander umgehen.
StageReport: Man hört aus ganz vielen Branchen, dass die Mitarbeiter fehlen. Entspricht das der Realität in der Veranstaltungswirtschaft?
Marcel Fery: Auf jeden Fall. Ich weiß gar nicht, wie viele offene Stellen wir gerade auf der Webseite haben. Es sind jedenfalls viele. Aber wir sind da nicht allein, denn die ganze Branche sucht nach Verstärkung. Das hat sich durch die Entwicklungen während der Pandemie weiter verstärkt, weil damals doch viele Kollegen in andere Branchen gewechselt sind.
Wir setzen weiter verstärkt auf eigene Ausbildung und haben derzeit rund 25 Azubis. Und von ihren Vorgängern sind viele im Haus geblieben und haben Karriere gemacht.
StageReport: Die Pandemie brachte ja für viele Beteiligte nicht nur in dieser Branche enorme Einschnitte. Was ist geblieben? Und was sind die aktuellen Herausforderungen bei TSE?
Marcel Fery: Ich glaube, dass die Branche, die Gesellschaft und auch die Mitarbeiter das immer noch merken und darunter leiden. Es gibt viele Leute, die hat es psychisch sehr mitgenommen – weil es nicht nur stressig war, sondern sich teilweise auf das persönliche Umfeld auswirkte und zu familiären Problemen führte. Ich glaube, dass wir das als Branche und als Gesellschaft noch aufarbeiten müssen und vielleicht eine unabhängige Kommission mal prüfen müsste, was man falsch gemacht hat und nicht einfach nur gesagt wird, es ging nicht anders.
StageReport: Man liest und hört momentan ganz viel über Zertifizierungen in unterschiedlichen Bereichen wie Qualität, Nachhaltigkeit, Lieferketten und so weiter. Wie geht ihr damit um?
Marcel Fery: Wir sind seit vielen Jahren ISO 9001 und 14001 zertifiziert und sogar schon rezertifiziert. Das optimiert tatsächlich die Strukturen und führt zu höherer Qualität. Und es hat diesen wunderbaren Nebeneffekt, dass wirklich alles dokumentiert werden muss, was beim Onboarding neuer Kollegen ziemlich nützlich ist. Als Verkaufsargument funktioniert es nicht.
StageReport: Was erwartest Du von der Zukunft?
Marcel Fery: Die Erfahrungen nach der Pandemie haben gezeigt, dass die persönliche Kommunikation und das direkte Treffen besser funktionieren als virtuelle Veranstaltungen. Insofern kann ich mir nicht vorstellen, dass virtuelle oder hybride Events unsere Zukunft sein werden. Wobei die Übertragung guter Events im Netz durchaus nützlich sein kann, um eine zusätzliche Reichweite zu bekommen.
Künstliche Intelligenz und die weitere Digitalisierung wird uns Vorteile bringen – zum Beispiel für die Buchhaltung oder die Disposition. Im Lager könnten Exoskelette irgendwann eine Rolle spielen, um Kisten mit 200 oder 300 Kilo Gewicht ganz einfach in die dritte Lage stapeln zu können, ohne sich körperlich zu verausgaben.
Ansonsten bleibt unser Geschäft ein People-Business. Roboter werden keine Veranstaltungen auf- oder abbauen und das Licht und den Ton nicht bedienen können.
Was ich für die Zukunft erwarte, hat vielmehr mit der Sichtbarkeit dieser Branche und ihrer Akzeptanz in der Politik zu tun. Die Wahrnehmung, dass es sich bei der Veranstaltungswirtschaft um einen echten Wirtschaftsfaktor handelt und zum Beispiel fast jede zweite Übernachtung in Berlin durch Veranstaltungen ausgelöst wird. Und bei jedem Veranstaltungsgast hängt ja noch ganz viel dran: Shuttles, Transporte, Restaurants, Shopping, Kultur und so weiter.
Das sollte auch zum Antrieb in der Branche werden, sich mit qualifiziertem Personal zu verstärken und klar zu machen, dass es um wirklich spannende, tolle Arbeitsplätze mit Zukunft geht. Nur die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit muss sich noch verändern.